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Beatrice Dettman

Malerei

April bis Mai 2004, Galerie 40 Rother, Wiesbaden

Beatrice Dettmann - Bilder sehen

Das Offensichtliche zuerst: Beatrice Dettmann ist Malerin, sie beschäftigt sich also mit einem künstlerischen Medium mit langer Tradition und unterschiedlichsten Funktionen in der Geschichte der Kunst.

Heute umgeben uns Bilder überall, sie sind Bestandteil unseres Alltags geworden. Dem Umgang mit den Werken eignet gegenwärtig jedoch häufig eine falsche Selbstverständlichkeit: Man informiert sich über ihre Bedeutung in der Kunstgeschichte und verschafft sich Informationen über den Künstler - dies mit der Absicht, das Bild über externe Wissensinhalte schnell vereinnahmen zu können. Das Sehen jedoch, die vertiefte, geduldige Betrachtung eines Kunstwerks, kommt oft zu kurz.

Um so bemerkenswerter ist es, mit Beatrice Dettmann eine Künstlerin erleben zu dürfen, die sich mit großer Konzentration und ruhiger Konsequenz die - nur scheinbar einfache - Frage stellt: Was ist ein Bild?

Nicht die Bilderzählung, die Interaktion der Dargestellten, beschäftigt sie. Ihre Werke enthalten keine Hinweise auf außerhalb ihrer selbst liegende Sinnzusammenhänge.

Statt dessen legt sie sich die grundlegenden Fragen zur Bildwerdung vor: Welche qualitativen Eigenschaften hat die Farbe als ein zentrales Element im Bild? Wie entsteht eine Anmutung von Räumlichkeit, wenn auf die Konvention der Zentralper¬‚spek¬‚ti¬‚ve verzichtet werden soll? Wie ver¬‚hal¬‚ten sich Figur und Fläche zueinander, wenn sie im Bild gleichberechtigt behan¬‚delt werden ‚Äì wenn die Figur also nicht als Trägerin des Bildgeschehens und die Fläche nicht als ihr Hintergrund aufgefaßt ist?

So bildet sie aus unterschiedlichen Werkstoffen, vorwiegend Eitempera, aber auch aus Sänden und Ölfarbe, einen flachen Farbraum. Die Suggestion von Räumlichkeit ergibt sich durch ˆúberlagerungen und Schichtungen, sie entwickelt sich nach und nach im malerischen Prozeß. Ebenso zeigt sich im Bild ein spannungsvoller Gegensatz zwischen lasierend aufgetragenen und gespachtelten Farbpartien: So wurden beispielsweise in der 2003 entstandenen Arbeit "grau-weiß 1" die vertikalen Figuren und die waagerechte helle Fläche mit verschiedenen Spachteln bearbeitet, so daß schließlich ein pastoser, wie Borke anmutender Farbauftrag entsteht. Die anderen Flächen in dieser Arbeit sind sind dünn lasiert, fast wäßrig verläuft die Farbe.

Der menschliche Körper, hier gegen alle Konvention schlicht als senkrechtes Element begriffen, zeigt sich häufig an den Nahtstellen des Bildes - er scheint sich weniger kompositionellen Überlegungen als verdichteter Farbe zu verdanken. Körper und Fläche treten so in ein hierarchiefreies Wechselverhältnis. Gleichermaßen zeigen sich anschauliche Analogien zwischen den Spuren verlaufender Farbe und der reduzierten Körperlichkeit - im Prozeß des Sehens verschränken sich Figur und Grund unauflöslich miteinander.

In ihrer konsequenten Verweigerung jedes erzählerischen Moments sind die malerischen Lösungen ausschließlich der spezifischen Ästhetik des Bildes verpflichtet.

Beatrice Dettmanns Arbeiten verlangen von uns einen neuen Blick. Kulturell vorgeprägte Gewissheiten, wie etwa die Dominanz der Figur im Bild oder die Konvention der Zentralperspektive, werden kritisch hinterfragt und zurückgewiesen. Statt dessen wird das Sehen selbst hier zum Thema gemacht. Ihre Bilder gewinnen ihre lebendige Präsenz im Augenblick der Auseinandersetzung. Im bewußten, reflektierten Sehen, im sich-einlassen auf die Werke werden neue Bilderfahrungen möglich.

Dr. Gabriele Himmelmann

Kunsthistorikerin, Hamburg

Kontakt:

Beatrice Dettmann | Beim Grünen Jäger 14 | 20359 Hamburg | T 040.43 86 18